In Fahrzeugen werden heutzutage eine Vielzahl von Baugruppen verwendet auf denen Mikrocontroller, Schaltregler und weitere Elektronik arbeiten. Dabei haben die einzelnen Bauteile, wie Mikrocontroller oder Schaltregler ihre spezifischen EMV-Eigenschaften.
Damit die Automobilbaugruppe störungsfrei arbeitet und auch bestimmte Normen bezüglich hochfrequenter Störemissionen eingehalten werden, wird im Rahmen der Entwicklung mit einer Boardnetznachbildung die Störaussendung geprüft. Überschreiten die Störemissionen festgelegte Grenzen, muss die Automobilbaugruppe analysiert und verbessert werden. Dieser Prozess von Prüfung und Modifikation (Verbesserung) wird unter Umständen mehrmals durchgeführt, bevor alle Kriterien der Normen erfolgreich eingehalten werden.
Der Aufwand und die Kosten des Prozesses können mit einem übersichtlichen und kleinen Messaufbau am Arbeitsplatz des Entwicklers gering gehalten werden.
Die Automobilbaugruppe wird auf einer Groundplane entsprechend dem späteren Einsatzumfeld angeordnet. Dabei müssen wie im Bild 1 dargestellt, die konstruktive Umgebung und die elektrische Verkabelung nachgestellt werden. Über der Groundplane ist ein klappbares Schirmzelt zur Abschirmung der Störungen aus der Umgebung angeordnet. Das klappbare Schirmzelt ermöglicht den direkten Zugriff auf den Prüfling und damit ein flüssiges Arbeiten des Entwicklers. Das Schirmzelt besitzt eine Dämpfung von ca. 50 dB. Die leitungsgebundenen Zuführungen, wie Stromversorgung und Kabel zur Übertragung der Messergebnisse sollten mit HF-Filtern versehen sein.
Von den Messdaten zur Dokumentation
Die Messergebnisse werden im Spektrumanalysator dargestellt. Normalerweise erfolgt die Erfassung der Messergebnisse mit mehreren Softwaretools wie der Aufnahmesoftware des Spektrumanalysators, einer Dokumentationssoftware und gegebenenfalls einer Bildverarbeitungssoftware zur Bearbeitung der aufgenommenen Spektren. Die Messdaten und die dazugehörige Dokumentation (Spektren und Protokoll) werden heute oft manuell in verschiedene Programme übertragen. Das ist bei der Aufnahme von wenigen Messkurven vielleicht vertretbar. Bei einer aufwendigen Störaussendungsanalyse kommt der Entwickler oft auf sehr viele Messkurven, die in einem Entwicklungsprozess von einigen Tagen aufgenommen werden. Der Aufwand diese Messkurven manuell miteinander zu vergleichen und zu dokumentieren, ist an dieser Stelle nicht mehr zu vertreten. Es ist eine Software erforderlich, die diesen Aufwand komplett umgeht. Mit dieser Software wird der im Bild 1 dargestellte Spektrumanalysator gesteuert und die Messkurven von der zu prüfenden Automobilbaugruppe aufgenommen.
In unserem Beispiel ist die Störaussendung einer Automobilbaugruppe im Bereich von 150 kHz bis 30 MHz auf Grenzwertüberschreitungen mit einer Boardnetznachbildung (BNN) zu untersuchen. Die Automobilbaugruppe besitzt als wesentliche Komponenten einen Mikrocontroller mit einem extern gebildeten Takt von 12 MHz und einem internen Takt von 48 MHz. Seine Ports sind über eine Flachbandleitung nach außen geführt. Die Versorgungsspannung wird aus der Klemme 30/31 über einen Schaltregler erzeugt, der einen Grundtakt von 500 kHz besitzt. Die Überprüfung der Grenzwerte mit der Boardnetznachbildung ist in Bild 2 dargestellt. Die Ergebnisse der Peak-Messung für die Klemme 30 (+12 V Zuführung zur Baugruppe) sind in der roten Messkurve dargestellt. Die Ergebnisse der Peak-Messung für die Klemme 31 (Masse) sind in der blauen Messkurve dargestellt. Beide überschreiten ab 500 kHz die Grenzwertkurve. 500 kHz ist die Grundfrequenz des Schaltreglers. Im Frequenzbereich oberhalb von 500 kHz sind ausschließlich die Frequenzvielfachen des Schaltreglers zu erkennen. Aus den Messergebnissen ist mit Sicherheit ablesbar, dass der Schaltregler die Störungen verursacht.
Im Anschluss wird mit Nahfeldsonden untersucht, in welchen Bereichen des Schaltreglers die Störungen erzeugt werden. Als erstes wird mit einer großflächigen E-Feldsonde über dem Schaltregler-IC und der Schaltreglerspule das elektrische Feld überprüft (Bild 3).
Die entsprechend kritischen Frequenzen konnten im elektrischen Feld nachgewiesen werden. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Störungen über das elektrische Feld erregt werden.
In einem zweiten Schritt wird die Baugruppe mit Magnetfeldsonden untersucht. Wir vermuten, dass der Schaltregler die Ursache ist. Als erstes wird untersucht, ob die Verbindung des Reglers zur Klemme 30/31 ausreichend gefiltert ist. Deshalb wird auf der Schaltreglerseite und der Stecherseite des Filter-ELKOs der Störstrom in der Versorgungsleitung gemessen. Verwendet wird eine Magnetfeldsonde mit der man Strom in Leitungen selektiv messen kann. Im Bild 3 sind die Ergebnisse dargestellt. Betrachtet man die beiden Messkurven bei der Grundfrequenz des Schaltreglers von 500 kHz sieht man, dass vor und hinter dem ELKO ungefähr der gleiche Versorgungsstrom fließt. Das bedeutet, dass der ELKO einen zu hohen ESR (Widerstand) besitzt und keine Filterwirkung bei 500 kHz entfaltet. Elektrolytkondensatoren (ELKOs) besitzen eine kleine induktivitätsarme Restkapazität, die parallel zur elektrolytischen Kapazität wirkt. Diese Kapazität liegt im Bereich von einigen nF. Die Wirkung erkennt man ab der ersten Harmonischen ab 1 MHz. Dort beginnt der Elektrolytkondensator als Filter für die Störfrequenzen zu wirken.
Ein spezieller Stromwandler kommt zum Einsatz
Um die Ergebnisse zu konkretisieren, wird die Klemme 30/31 mit einem speziellen Stromwandler gemessen. Der Stromwandler besitzt zwei Eingänge. Der DIFF-Eingang des Stromwandlers misst nur den differential mode (Gegentakt) Strom von Klemme 30/31. Nur der Schaltregler kann an Klemme 30/31 Gegentaktströme erzeugen. Der COM-Eingang des Stromwandlers misst nur den common mode (Gleichtakt) Strom von Klemme 30/31. Alle anderen Störquellen der Baugruppe können nur Gleichtaktvorgänge an der Klemme 30/31 erzeugen. Damit kann man feststellen, ob der Netzfilter des Anschlusses / Klemme 30/31 Filterwirkung besitzt.
Wenn im Anschlussbereich des Boardnetzes der Baugruppe Filterwirkung vorhanden ist, wird kein Gegentaktstrom fließen können, da dieser durch den Filterkondensator abgeleitet wird. Wenn der Filterkondensator den Strom nicht ableiten kann (zu hoher ESR), wird er zur Klemme 30 fließen, von dort in das Boardnetz, zurück zur Klemme 31 und zum Schaltregler. Der DIFF- Stromwandler misst diesen Strom selektiv . Wenn jedoch ein anderes Problem auf der Baugruppe die Störung verursacht, werden diese Gleichtaktvorgänge auslösen, die in das Boardnetz fließen. Dieser Störstrom kann mit dem COM-Stromwandler selektiv gemessen werden.
Vergleich Common- und Differenzial-Mode-Wandler
Im Bild 4 sind die Messergebnisse der Messungen an Klemme 30/31 mit einem DIFF- und COM-Stromwandler dargestellt. Der COM-Stromwandler zeigt nur schwache common mode Störungen, die das Störaussendungsproblem nicht verursachen können. Diese können vom elektrischen Feld des Schaltregler-ICs oder Spule herrühren. So dass sich der anfängliche Verdacht, dass das E-Feld die Störungen verursachen könnte, nicht bestätigt. Die Messung mit dem DIFF-Stromwandler zeigen, dass ein hoher differenzieller Strom vom Schaltregler in der Klemme 30/31 fließt. Dieser Strom entspricht dem Strom der an der Boardnetznachbildung (BNN, Bild 4, Klemme 30). Damit ist bestätigt, dass die Filterwirkung im Anschlussbereich des Boardnetzes zum Schaltregler nicht ausreichend ist. Der auf dem Board vorhandene 47 µF Elektrolytkondensator besitzt einen zu hohen ESR.
Als Gegenmaßnahme wird dieser ELKO mit einem 10 µF Keramikkondensator ergänzt. Bild 5 zeigt die Wirkung des Kondensators. Die Störfrequenzen des Schaltreglers werden um ca. 20 bis 30 dB abgesenkt. Nur bei der Grundschwingung von 500 kHz trat eine Absenkung von 9 dB auf. Trotz dieser Absenkung liegt der Wert bei 500 kHz immer noch 12 dB über dem Grenzwert. Das liegt daran, dass die Kapazität von 10 µF für 500 kHz noch nicht groß genug ist.
Die keramischen Filterkapazitäten auf 40 µF zu erhöhen ist eine weitere Maßnahme zur Entstörung. Die Ergebnisse sind im Bild 5 dargestellt. Die Absenkung bei 500 kHz beträgt jetzt 26 dB. Damit wurde die Störfrequenz 500 kHz um 6 dB unter den Grenzwert gesenkt. Wird anstelle der keramischen Filterkapazitäten von 40 µF ein Elektrolytkondensator 68 µF zum bereits bestehenden 47 µF Elektrolytkondensators eingesetzt, senkt sich der Störpegel aufgrund des ESR bei 500 kHz nicht.
Die Störaussendungsanalyse mit einer Groundplane, einem Schirmzelt, einer universellen Software, Boardnetznachbildung, ergänzend zur Boardnetznachbildung ein HF-Stromwandler und Nahfeldsonden ermöglichen dem Entwickler ein schnelles und effizientes Arbeiten an seinem Arbeitsplatz. Mit den hier vorgestellten kleinen und handlichen EMV-Werkzeugen kann er sich ein umfassendes Bild über die EMV-Wirkmechanismen auf seiner Automobilbaugruppe verschaffen. Somit erschließen sich ihm die Ursachen von Störaussendung und wirksame Gegenmaßnahmen können gefunden werden. Die mit den EMV-Werkzeugen gesammelten Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnisse zur EMV auf der Automobilbaugruppe können auch auf andere Elektronikentwicklungen übertragen werden. Immer komplexere EMV-Probleme bekommt der Entwickler mit einfacher und überschaubarer Technik selbst in den Griff.