Kapazitive Touchs werden anstelle von mechanischen Schaltern in elektronischen Geräten eingebaut. Die Verwendung von kapazitiven Touchs in den Produkten der Elektronikindustrie ziehen Störaussendungsprobleme nach sich. Aufgrund ihrer Funktionsweise geben die kapazitiven Touchs hochfrequente elektrische Felder in ihre Umgebung ab. Als Nebeneffekt können diese hochfrequenten elektrischen Felder andere Geräte beeinflussen. Im Automobil kann es z.B. den Empfang des Autoradios empfindlich stören oder andere Funkdienste beeinträchtigen. Um Störungen zu verhindern, müssen die Störemissionen bestimmte Grenzwerte einhalten. Die Einhaltung dieser Grenzen wird durch eine EMV-Prüfung mit einer Boardnetznachbildung (BNN) kontrolliert.
Die besonders schwer zu beherrschenden Grenzwertüberschreitungen entstehen hauptsächlich im Frequenzbereich 150 KHz bis 5 MHz bei EMV-Messungen mit der Boardnetznachbildung. Wenn der kapazitive Touch an das Boardnetz eines Automobils angeschlossen ist, werden Störungen über den Kabelbaum in das Fahrzeug geleitet.

Die Boardnetznachbildung wird zur Prüfung der Grenzwerte an den Boardnetzanschluss des kapazitiven Touchs angeschlossen.

Bild 1 Grundprinzip des kapazitiven Touchs

An die Elektrode EL1 wird eine HF-Spannung mit einer Frequenz von ca. 100 kHz angelegt (Bild 1). Die Elektrode besitzt eine sehr kleine Koppelkapazität C1 von wenigen Femtofarad [fF] zur Elektrode EL2. Die HF-Spannung treibt über die Koppelkapazität C1 Strom zur Elektrode EL2. An der Elektrode EL2 ist ein Widerstand R angeordnet. Über diesen Widerstand fließt der von der Elektrode EL1 zur Elektrode EL2 kapazitiv gekoppelte Strom und erzeugt eine Spannung UAV. Die Annäherung eines Fingers an die Elektroden EL1 und EL2 verändert die Kapazität C1 und damit letztlich die Spannung UAV. Die Änderung von UAV muss so ausgewertet werden, dass bei entsprechenden Werten eine Schaltfunktion ausgelöst wird. In der Praxis können die beiden Schaltungsteile, die zu EL1 und EL2 gehören, zu einer Schaltung zusammengefasst werden (Bild 2). Dabei wird in einer ersten Phase ein Spannungsimpuls ausgelöst, der über den Kondensator der Elektrode EL einen Strom zum Finger treibt. Je nach Fingerabstand wird der Kondensator C2 aufgeladen. Die Ladung wird in einer zweiten Phase mit einer Elektronik gemessen. Die Umschaltungseinrichtung für die beiden Phasen ist in Bild 2 nicht dargestellt.

Bild 2 Beispiel einer praktischen Umsetzung des kapazitiven Touchs

Die dabei im Kondensator C2 gespeicherte Ladung ist sehr gering. Sie wird durch den kapazitiven Teiler C1 (Finger) und C2 bestimmt. Da C1 (Finger) im Bereich von Femtofarad [fF] liegt und C2 im Bereich von Pikofarad [pF] liegt, entsteht ein Teiler von 1/1000. Bei einer HF-Spannung von 3 V Scheitelwert würde auf den Kondensator C2 eine äußerst geringe Spannung von 3 V/1000 entstehen. Um einen solchen kapazitiven Touch zur Funktion zu bringen, ist ein entsprechender Verstärker zur Signalverstärkung erforderlich. Es gibt in der Praxis verschiedene Realisierungsmöglichkeiten, das Problem zu lösen. Eine interessante Lösung wird mit einer Ladungspumpe umgesetzt. Im Bild 2 bewirkt die parasitäre Kapazität die Verringerung der Wirkung des Spannungsteilers C1, C2. Der Strom, der eigentlich C2 aufladen soll, fließt nutzlos über C3 ab. Das bedeutet, dass die Elektrode EL möglichst großen Abstand zur umgebenden Masse einnehmen muss. Dieser große Abstand wird, wie weiter unten beschrieben, negative Auswirkungen auf die Störemission haben.

Bild 3 Wirkzusammenhang zur Störaussendung

Im Bild 3 ist der Wirkzusammenhang zur Störaussendung dargestellt. Von der Elektrode EL geht bei Speisung mit HF-Spannung ein elektrisches Feld aus. Das Feld ist in zwei Bereiche unterteilbar. Das Feld, das von der Elektrode E3 zur Masse der Touch-Baugruppe führt, ist der Kapazität C3 zugeordnet. Es verringert den Wirkungsgrad des Touchs. Das Feld E1, das von der Elektrode EL zum Finger oder zur Umgebung (Chassis) geht, ist der Kapazität C1 zugeordnet. Es steuert den Touch. Entlang der Feldlinien E1 fließt ein Verschiebestrom. Der Verschiebestrom fließt praktisch durch die Kapazität C1. Dieser Strom gelangt von der Elektrode EL auf das Chassis und fließt bei der EMV-Prüfung zur Boardnetznachbildung. Von der Boardnetznachbildung über die Boardnetzversorgung zur Touch-Baugruppe zurück. Dieser Strom ist der Strom, der die Störaussendung der Touch-Baugruppe verursacht. Er erzeugt in der Boardnetznachbildung an einem Messwiderstand die Ausgangsspannung UA der Boardnetznachbildung. Bei der Messung dürfen die entsprechenden Grenzwerte der Störaussendung nicht überschritten werden. Aus Bild 2 kann man ablesen, dass ein hohes Feld E1 die Funktion des Touchs verbessert. Aus Bild 3 kann man ablesen, dass damit die Störaussendung proportional steigt.

Dieser Wirkzusammenhang führt sehr häufig zur Grenzwertüberschreitung im Bereich von 150 kHz bis 5 MHz.

Lösungsmöglichkeiten:

Es gibt zwei grundsätzliche Wege, das Störaussendungsproblem zu lösen. Zum einen kann die Schaltung auf Basis Bild 1 zugrunde gelegt werden. Dort hält sich die Ausbreitung des elektrischen Feldes E1 in Grenzen. In dieser Lösungsmöglichkeit ist der Bauteilaufwand höher. Zum anderen können an bestehenden Schaltungen Veränderungen zur Verbesserung der Störaussendung eingebracht werden. Das Ziel ist, den durch das Feld E1 bzw. durch die Kapazität C1 fließenden Strom von der Boardnetznachbildung fern zu halten. Folgende drei Veränderungen sind in unserem Beispiel möglich (Bild 4):

Bild 4 EMV-Maßnahmen zur Verringerung von Störaussendung einer Touch-Baugruppe
  1. Einbau von Induktivitäten in den Boardnetzanschluss der Touchbaugruppe
    Die Induktivität muss in den Anschluss der Klemme 30, 31 eingebaut werden. Als Induktivität wird eine Drosselspule genutzt. Es muss keine stromkompensierende Drossel sein, sondern es können einzelne Drosseln sein. Die Drossel sollte eine Induktivität > 10 µH besitzen. Diese Drosseln mindern den Stromfluss im Bereich > 100 kHz. Sie reduzieren den Strom, der durch die Boardnetznachbildung zur Touch-Baugruppe fließt. Damit reduzieren sie das Messsignal in der Boardnetznachbildung.
  2. Einbau einer Drossel in der Zuleitung zur Elektrode EL
    Diese Drossel mindert den Stromfluss in die Elektrode EL. Damit wird ebenfalls wie unter 1. beschrieben das Messsignal in der Boardnetznachbildung abgeschwächt.
  3. Ob in der Praxis die Variante 1 oder 2 verwendet wird, sollte experimentell ermittelt werden. Wenn die Touch-Baugruppe mehrere Elektroden hat, dann kann die Lösung Variante 1 eine geringere Zahl von Induktivitäten bedeuten. Das ist weniger kostenintensiv.

  4. Verbindung der Masse der Touch-Baugruppe mit dem Chassis des Fahrzeugs
    Wenn die Touch-Baugruppe mit dem Chassis des Fahrzeugs verbunden wird, kann der Strom vom Chassis an der Boardnetznachbildung vorbei direkt zur Touch-Baugruppe fließen. Damit verringern sich der Strom und das Messsignal in der Boardnetznachbildung. Bei dieser Maßnahme teilt sich der Strom nach dem Verhältnis der Widerstände der beiden Stromwege auf. Das bedeutet, dass die Verbindung von der Touch-Baugruppe zum Chassis viel kürzer und massiver sein muss als die Leitung zur Boardnetznachbildung. Wenn beide Leitungen gleich sind, ergibt sich eine Minderung um den Faktor 1,5, d.h. von 6 dB.
Bild 5 Messergebnisse von der Messung der Touch-Baugruppe mit der Boardnetznachbildung NNB 21, dargestellt in der Mess- und Dokumentationssoftware ChipScan ESA

Die Wirkungen der EMV-Maßnahmen sind in einer Elektronik praktisch umgesetzt und mit einer Boardnetznachbildung gemessen. Im Bild 5 sind die Messergebnisse dargestellt. Die blaue Kurve zeigt die Baugruppe ohne EMV-Maßnahmen. Die Pegel der einzelnen Harmonischen sind am höchsten. Die EMV-Maßnahmen sollen diese Pegel verringern. Die rote Kurve zeigt die Wirkung einer Drossel von 10 µH in der Zuleitung der Elektrode EL. Es tritt eine Absenkung um ca. 10 dB ein. Bei der Grundschwingung ist keine Änderung erkennbar. Das kann daran liegen, dass die Drossel 10 µH zu klein dimensioniert ist. Oder es liegt noch ein weiteres EMV-Problem vor, das durch die Drossel nicht beseitigt wird.
Die grüne Kurve zeigt die Wirkung einer Masseverbindung von der Touch-Baugruppe zum Chassis. Dabei war die Masseverbindung als breitflächig kurze Verbindung ausgeführt. Mit dieser Maßnahme wird bei den Harmonischen eine Absenkung von > 20 dB erreicht. Je dünner und länger diese Verbindung ist, umso weniger Wirkung hat sie. Wenn die Verbindung im Querschnitt und Länge der Verbindung zur Boarndnetznachbildung entspricht, wird eine Absenkung von ca. 6 dB erreichbar sein.

Die mit dem roten Kreis kenntlich gemachte Grundschwingung von 100 kHz entstammt nicht alleinig vom elektrischen Feld E1 des Touchs. Sie wird durch Netzrückwirkungen hervorgerufen. Der Versorgungsstrom des Treibers der HF-Spannung wird auf dem Weg zum Boardnetz nicht genug abgefiltert. Der Netzfilter des Boardnetzanschlusses der Touch-Baugruppe ist nicht ausreichend dimensioniert. Das Problem lässt sich mit einem Stützkondensator von ca. 1000 µF lösen. Elektrolytkondensatoren können aufgrund ihres zu hohen Widerstandes das Problem unter Umständen nicht lösen.

Nach diesen Methoden der Baugruppenentsörung lassen sich auch kapazitive Touchs mit hohen elektrischen Feldemissionen entstören. Ein System, das auf dem Arbeitsplatz des Entwicklers aufgebaut werden kann, eignet sich besonders zur Entstörung. Für die durchgeführten Messungen ist es vorteilhaft, auch während des Messvorgangs Zugriff auf den Prüfling zu haben. Für die Protokollierung und Auswertung der Messergebnisse erleichtert eine entsprechende Software das Arbeiten. Durch einfache und schnelle Vergleiche mehrerer Messkurven in einem Diagramm werden erheblich Zeit und Kosten im Entwicklungsprozess gespart.